Familie Blumhardt

Rehaklinik Bad Boll Kurhaus

Die Rehaklinik Bad Boll ist ein traditionsreiches Haus mit einer langen Geschichte. Diese ist maßgeblich geprägt von der Familie Blumhardt. Erhalten Sie einen Einblick in das Leben und Wirken dieser besonderen Familie, die unsere Rehaklinik zu dem machte, was sie heute ist.  

(1805-1880)

Johann Christoph Blumhardt wird am 16. Juli 1805 in Stuttgart als Sohn eines Bäckers und Holzmessers geboren und wächst in pietistischen Kreisen auf. Wie die Mitglieder der erweckten Gemeinschaftskreise erhofft er die in der Bibel verheißene Wiederkunft Jesu Christi ganz real und in naher Zukunft. Dann sollte die ganze Schöpfung heil werden.

1820 wird er Stipendiat des evangelisch-theologischen Seminars in Schöntal und studiert anschließend Theologie in Tübingen. 1829 wird er Vikar in Dürmenz bei Mühlacker. 1830 geht er für sieben Jahre als Missionslehrer nach Basel. Anschließend wird er als Pfarrgehilfe in Iptingen tätig. 1838 wird er als Gemeindepfarrer nach Möttlingen im Nordschwarzwald berufen. Dort heiratet er Doris Köllner, die Tochter seines Missionsfreundes Karl Köllner, die er während seiner Zeit in Basel kennengelernt hat.

Krankenheilung und Erweckung in Möttlingen
In Möttlingen ist Johann Christoph Blumhardt konfrontiert mit einer rätselhaften Erkrankung einer Frau aus der Gemeinde, Gottliebin Dittus. Sie hat Geistererscheinungen, Krämpfe, Blutungen, Erbrechen, hysterische Anfälle und unerträgliche Schmerzen. Der Arzt kann nicht weiterhelfen und bittet Johann Christoph Blumhardt um Hilfe. Zwei Jahre lang begleitet Johann Christoph Gottliebin Dittus seelsorgerlich, kämpft im Geist gegen die dämonischen Mächte, von denen sie besessen ist, und betet inbrünstig für ihre Heilung. Er ist überzeugt, dass Jesus stärker ist als der Teufel.

Am 28. Dezember 1843 wird Gottliebin Dittus und ihre ebenfalls erkrankte Schwester nach langem Gebetskampf von Johann Christoph Blumhardt geheilt. Der Ruf „Jesus ist Sieger!“ ertönt. Dieses Ereignis strahlt auf den ganzen Ort Möttlingen und weit darüber hinaus aus. Gläubige und Hilfesuchende strömen zu Hunderten zu den Predigten von Johann Christoph Blumhardt. Es geschehen weitere Heilungen. Schließlich verbietet ihm das Konsistorium der kirchlichen Oberbehörde, die Heilung körperlicher Krankheiten mit der Seelsorge zu vermischen.

Blumhardt lebt ganz in der Gewissheit, dass das Kommen des Reiches Gottes nahe bevorsteht und dass vorher noch eine zweite Ausgießung des Heiligen Geistes geschehen wird. Deshalb wird er über seine Predigttätigkeit hinaus sozial tätig. Er eröffnet einen Kindergarten, als dessen Leiterin er Gottliebin Dittus einsetzt, die er mit zwei ihrer Geschwister nach ihrer Heilung in seine Familie aufnimmt. Er richtet zusammen mit seiner Frau eine Suppenküche ein und gründet einen Wohltätigkeitsverein mit einer Viehleihkasse. Dem Ehepaar werdenn sieben Kinder und später in Bad Boll ein achtes geboren, von denen fünf überleben.

Wirken in Bad Boll
In Bad Boll, wo das in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckende Kurhaus vom König zum Verkauf angeboten wird, findet Johann Christoph Blumhardt 1852 eine neue Wirkungsstätte. Mit Hilfe wohlhabender Freunde erwirbt er das Anwesen und richtet dort ein Heilungs- und Seelsorgezentrum ein. Seine Frau und Gottliebin Dittus übernehmen die Hausleitung. Blumhardt stellt den Antrag auf Entlassung aus dem Pfarrdienst, um sich ausschließlich der Menschen, die zu ihm kommen, widmen zu können. Diesem Antrag wird entsprochen.

Blumhardts Seelsorge ist von einem unerschütterlichen Jesus-Glauben und von der Kraft des Gebets getragen. Seine Gabe zu heilen stellt Blumhardt nie in den Vordergrund. Für ihn sind Heilungen ausschließlich Jesu Wirken. Als Mensch ist er ein bescheidener, munterer und freundlicher Mann, einfach und natürlich, getragen von dem Bewusstsein der Nähe des Herrn.

Unzählig viele seelisch und psychosomatisch Erkrankte finden im Kurhaus bei Johann Christoph Blumhardt Erleichterung und Heilung. Zu ihm kommen Menschen aller Gesellschaftsschichten. Zahlreiche Adlige, unter anderem die Prinzen von Reuß, von Solms, zu Waldburg, Fürst Pückler und Mitglieder der Familien von Moltke, von Lützow, von Bülow, von Arnim und von Zeppelin finden sich in den Gästebüchern, ebenso Universitätsprofessoren, Theologiestudenten, bedeutende Vertreter der Inneren Mission wie Johann Hinrich Wichern und Pfarrer Wilhelm Löhe, Unternehmer, der Maler Ludwig Richter und die Schriftsteller Hermann Hesse und Ottilie Wildermuth. Auch internationale Gäste und Missionare kommen, um das besondere Charisma von Johann Christoph Blumhardt zu erleben.

Blumhardt führt auch eine umfangreiche briefliche und telegraphische Korrespondenz und verfasst Andachten, Schriftauslegungen und Predigten. Er dichtet Kirchenlieder, komponiert etliche Choralsätze und bringt alle 150 Psalmen in gereimte Strophen.

Johann Christoph Blumhardt stirbt am 25. Februar 1880 an einer Lungenentzündung.

Bis zuletzt beschäftigt ihn das Kommen Gottes. Er hofft ganz real auf die Siegeskraft Christi. Für ihn ist der Sinn des Menschenlebens, sich in Hoffnung, wartend und eilend, für den großen Endzweck einzusetzen und sich von Gott gebrauchen zu lassen. Auf dem Totenbett segnet er seinen Sohn Christoph, der seine Nachfolge in der Leitung des Kurhauses antreten soll, zum Siegen.

Quellen:

  • Albrecht Esche, Reich Gottes in Bad Boll, Evangelische Akademie Bad Boll 2016
  • G. Heyde, Die beiden Blumhardt, Verlag der Missionsbuchhandlung, Herrnhut, ohne Jahresangabe
  • Dieter Ising, Johann Christoph Blumhardt (1805-1880) in: Bad Boll 1595-1995, Gemeinde Boll (Hg.), Anton H. Konrad Weißenhorn 1995
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Christoph_Blumhardt, Abruf 06.12.2020
  • Dieter Zündel, Johann Christoph Blumhardt, Brunnen-Verlag Gießen, 1969

(1816-1886)

Johanna Dorothea Köllner wird 1816 geboren. Sie hat drei Geschwister und fünf Stiefgeschwister aus der ersten Ehe ihrer Mutter Maria Amalie Johanna Keerl. Ihr Vater, Philipp Peter Karl Köllner, war Sozialpädagoge und Pietist eher freikirchlicher Prägung. Er kommt nach einem bewegten Leben nach Sitzenkirch, wo er eine Missionseinrichtung für jüdische Kinder einrichtet, die später mangels Nachfrage in ein Mädchenpensionat umgewandelt wird.

Doris und ihre Schwester Lotte helfen dem Vater bei der Hausarbeit und unterrichten die Mädchen im Pensionat. Es gibt lebhafte Kontakte nach außen, auch zur Basler Mission, wo Doris Johann Christoph Blumhardt kennenlernt. Die Hochzeit findet 1838 statt.

Pfarrfrau in Möttlingen
Doris folgt ihrem Mann in seine Pfarrstelle nach Möttlingen. Oft rühmt Blumhardt, welch treue Mitkämpferin im Beten, Ringen und Entsagen er an seiner Gattin hat.
Aus eigener Anschauung kennt Doris das Leben in einer generationsübergreifenden Gemeinschaft, der ein Hausvater als Patriarch vorsteht. Dieses führt sie im Pfarrhaushalt in Möttlingen fort. Sie erlebt den geistlichen Kampf ihres Mannes um die Heilung einer besessenen Frau aus der Gemeinde, Gottliebin Dittus. Dieser Heilung folgt eine starke geistliche Erweckungsbewegung in Möttlingen. Im Pfarrhaus stehen die Türen für unzählige Gäste offen. Darunter sind viele Epileptiker, Geisteskranke, Verkrüppelte und Besessene, die oft tagelang im Haus leben und versorgt werden müssen.
Innerhalb von acht Jahren bringt Doris Blumhardt sieben Kinder zur Welt: Maria, Karl, Christoph, Theophil, Nathanael und die bei der Geburt verstorbenen Kinder Rahel und ein weiterer Nathanael. Doris selbst ist häufig lange krank, klagt aber niemals.

Neben dem Engagement für das Reich Gottes engagiert sie sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Gemeindemitglieder. Gemeinsam mit ihrem Mann organisiert sie in den Hungerjahren eine Suppenküche in Möttlingen. Sie hält ihrem Mann den Rücken frei. Nachdem ihn das Konsistorium bedrängt keine Heilungen mehr vorzunehmen, tut sie alles, um ihm den Austritt aus dem Dienst als ordentlicher Pfarrer zu erleichtern.

Als bekannt wird, dass das Kurhaus in Bad Boll zum Verkauf steht, schickt Johann Christoph auch Doris Blumhardt mit Gottliebin Dittus zur Besichtigung. Euphorisch kommen die beiden Frauen zurück. Sie halten die Räumlichkeiten, nebst dem vorhandenen Inventar und der Ausstattung, für sehr geeignet, sich dort eine neue Existenz aufzubauen.

Hausmutter in Bad Boll
1852 zieht Familie Blumhardt nach Bad Boll ins Kurhaus, gemeinsam mit fünf der Dittus-Geschwister. Doris Blumhardt und Gottliebin Dittus führen gemeinsam das Hauswesen und den Wirtschaftsbetrieb im Kurhaus, in dem täglich 80 Menschen zu versorgen sind. Sie vertreten sich gegenseitig, denn häufig ist eine der beiden krank. Vor allem der Anfang ist sehr schwer. Eine weitere Tochter von Doris und Johann Christoph, Berta, wird 1853 geboren, verstirbt aber schon im kommenden Jahr, was den Eltern viel Kummer bereitet.

Der Sohn Christoph charakterisiert die Mutter so: sie trifft oft rasche Entscheidungen, stellt Forderungen von Selbstverleugnung und hält mit derben Wahrheiten nicht hinter dem Berg. Dabei hegt sie immer die Sehnsucht nach dem Himmlischen im Herzen, ebenso wie das Irdische und das Sich-Kümmern um kleinste Details. Also eine tatkräftige und doch sensible Frau.

Die Hausgemeinschaft in Bad Boll und die dort herrschende Atmosphäre der Ruhe und Heiterkeit wird von vielen Besuchern als Vorgriff auf die im Reich Gottes herrschenden Zustände erlebt.

Nach dem Tod von Gottliebin Dittus 1872 führt Doris Blumhardt das Kurhaus alleine weiter. Sie ist jetzt auch seltener krank. Mit ihrer unerschütterlichen Glaubenszuversicht und ihrem offenen Umgang mit allen Menschen bildet sie den Mittelpunkt des Hauses, bis sie 1886, sechs Jahre nach ihrem Ehemann, stirbt.

Quellen:

  • Albrecht Esche, Reich Gottes in Bad Boll, Evangelische Akademie Bad Boll 2016
  • Dieter Ising, Johann Christoph Blumhardt (1805-1880) in: Bad Boll 1595-1995, Gemeinde Boll (Hg.), Anton H. Konrad Weißenhorn 1995
  • www.de.wikipedia.org/wiki/Karl_Köllner

(1815-1872)

Gottliebin Dittus kommt 1815 in Möttlingen im Nordschwarzwald zur Welt. Ihre Familie ist arm. Vier ihrer acht Geschwister sterben früh. Gottliebin kommt in verschiedenen Orten in Haushaltsdienste, wo sie wegen ihrer Treue sehr geschätzt wird. Nach einer Nierenkrankheit und Folgeschäden muss sie aufhören zu arbeiten.

Krankenheilung in Möttlingen
Gottliebin lebt in Möttlingen in einer gemeinsamen Wohnung mit ihren anderen unverheirateten Geschwistern. Dort wird sie heimgesucht von Geistererscheinungen, hysterischen Anfällen, Krämpfen, Blutungen, Erbrechen und unerträglichen Schmerzen. Der Arzt kann nicht weiterhelfen und bittet den Pfarrer Johann Christoph Blumhardt um Hilfe. Dieser betreut die Kranke und tritt in einen geistlichen Kampf um ihre Rettung ein, der zwei Jahre andauert. Blumhardt ist überzeugt, dass teuflische Mächte von Gottliebin Besitz genommen haben, aber Jesus stärker sein würde als diese. Unaufhörlich betet er für Gottliebin. Am 28. Dezember 1843 wird der geistliche Kampf beendet, der laute Ruf „Jesus ist Sieger!“ ertönt, und die Kranke wird stiller und ruhiger.

Nach ihrer Heilung wird sie 1844 von Blumhardt in die eigene Familie aufgenommen. Sie zieht ins Pfarrhaus und wird eine lebenslange Stütze der Familie. Sie ist ein Jahr älter als Doris Blumhardt.

Hausleitung in Bad Boll
1952 zieht Gottliebin Dittus mit Familie Blumhardt in das Kurhaus nach Bad Boll und übernimmt gemeinsam mit Doris Blumhardt die Hausleitung des Heilungs- und Seelsorgezentrums. Mit ihr kommen ihre vier Geschwister Katharina, Anna Maria, Andreas und Hansjörg.

Gottliebin Dittus wird als das Gegenteil einer anmutigen Erscheinung beschrieben. Aus ihrer ärmlichen Kindheit und von der Krankheit her bleiben ihr etwas Grobkörniges und manche körperlichen Gebrechen, zum Beispiel ein kürzerer Fuß und Magenleiden. Aber sie wird neben Johann Christoph Blumhardt zum verborgenen Kern des Kurhauses. Ihren sorgsamen Augen entgeht nichts. Sie hat einen sicheren und scharfen Blick für den Zustand und die Heilungschancen neu eintreffender Gäste und eine besondere Gabe im Umgang mit Geisteskranken, die alsbald großes Zutrauen zu ihr fassen. Dies entlastet Blumhardt stark.

1855 heiratet Gottliebin den aus Nordfriesland stammenden und in Bad Boll von Gehbeschwerden geheilten Theodor Brodersen, der zum Verwalter des großen Anwesens bestellt wird. Aus der Ehe gehen drei Söhne hervor.

Ab 1862 muss sie sich öfters schweren Operationen unterziehen. 1871 beginnt eine Geschwulst unter dem Magen zu wachsen. Mehrfach liegt sie todkrank darnieder, kann aber vom Krankenlager wieder aufstehen.

Gottliebin Dittus stirbt am 26. Januar 1872. Die Szene am Sterbebett, wo Christoph Blumhardt und die Angehörigen sitzen, wird nicht von Angst vor dem Tod bestimmt, sondern von dem erhofften Reich Gottes. Ihre Willensstärke und Glaubenszuversicht hinterlassen einen bleibenden Eindruck auf alle Kinder Blumhardts und bewirken eine geistliche Erneuerung des ganzen Hauses.

Quellen:

  • Johann Christoph Blumhardt, Blumhardts Kampf, Verlag Goldene Worte Stuttgart-Sillenbuch 1850
  • Albrecht Esche, Reich Gottes in Bad Boll, Evangelische Akademie Bad Boll 2016
  • Dieter Ising, Christoph Blumhardt (1842-1919) in: Bad Boll 1595-1995, Gemeinde Boll (Hg.), Anton H. Konrad Weißenhorn 1995
  • Dieter Ising, Johann Christoph Blumhardt (1805-1880) in: Bad Boll 1595-1995, Gemeinde Boll (Hg.), Anton H. Konrad Weißenhorn 1995
  • Friedrich Zündel, Johann Christoph Blumhardt, Brunnen Verlag Gießen 1969

(1812-1888)

Johann Georg Dittus (geboren 1812 in Möttlingen, gestorben 1888 in Bad Boll) ist der Bruder der Gottliebin Dittus, mit deren aufsehenerregender Heilung durch Gebet Johann Christoph Blumhardt während seiner Zeit als Pfarrer in Möttlingen große Bekanntheit erlangt. Johann Georg wohnt zusammen mit seinen Schwestern Gottliebin und Katharina in jenem Haus in Möttlingen, in dem sich allerlei unerklärliche Dinge zutragen, welche von den Betroffenen als böser Spuk beschrieben werden. Auch er selbst soll zumindest einmal Opfer der „Besessenheit“ gewesen sein, unter der seine Schwester Gottliebin jahrelang leidet, und auch er wird wie sie durch das Gebet und das Vertrauen auf die Losung „Jesus ist Sieger!“ geheilt.

Als dann, ausgelöst durch die Kunde von der Heilungsgabe Blumhardts, immer mehr Menschen aus Fern und Nah nach Möttlingen kommen, helfen die Geschwister Dittus mit, Pfarrhaus und Gäste zu versorgen. Johann Georg scheint dabei eine sehr wichtige Aufgabe zuzukommen, er wird von Blumhardt als sein „Hausvogt“ bezeichnet, was darauf deutet, dass er sich wohl um alle Angelegenheiten bezüglich der Abläufe und der Mitarbeiterführung kümmert. Aber auch seelsorgerliche Aufgaben nimmt Johann Georg wahr. In der Zeit der massiven Anfeindungen und Angriffe gegen Blumhardt und das Pfarrhaus in Möttlingen in den späten 1840er-Jahren ist Johann Georg Dittus auch ein tatkräftiger Wächter und Beschützer. Er heiratet nie und bekommt keine Kinder.

Es werden von Johann Georg Dittus kaum Aussprüche überliefert, er schien aber dennoch ein tiefgläubiger Mensch mit einer großen Ausstrahlung zu sein. Besonders auf den jungen Blumhardt hat er eine große Wirkung. Christoph Blumhardt nennt ihn in der Beerdigungsansprache einen „Ratgeber in allen Lebenslagen“ mit einer besonderen „Macht des Betens“, zu dem er zeitweise mehrmals täglich gekommen sei, um Klarheit zu gewinnen. Der Tod von Johann Georg Dittus löst bei Christoph Blumhardt eine schwere innere Krise aus, denn seine feste Erwartung, dass das Reich Gottes noch zu dessen Lebzeiten anbrechen werde, wird dadurch zunichte. In der Folge orientiert er sich komplett neu. Insofern kann der liebevoll „Vetter Hansjörg“ genannte Johann Georg Dittus als eine sehr wirkungsreiche Gestalt der Blumhardt’schen Bewegung bezeichnet werden.

Quellen:

  • Dieter Ising, Johann Christoph Blumhardt – Leben und Werk, 2. erw. Aufl. St. Goar 2018
  • Jörg Hübner, Christoph Blumhardt – Prediger, Politiker, Pazifist, Leipzig 2019

(1842-1919)

Nach dem Theologiestudium (das er zusammen mit seinem Bruder Theophil ungerne absolviert) wird Christoph auf verschiedene Vikarstellen berufen, unter anderem nach Dürnau. Anschließend hilft er in der Haus- und Landwirtschaft im Kurhaus Bad Boll mit, wo der Vater (Johann Christoph Blumhardt 1805-1880) seit 1852 eine außergewöhnliche Form von ganzheitlicher Seelsorge praktiziert, die viele Menschen aus aller Welt anzieht. 1870 heiratet er Emilie Bräuninger vom Gut Einsiedel bei Tübingen. Nach dem Tod des Vaters (1880) übernimmt Blumhardt die geistliche und strukturelle Leitung des Hauses im Sinn des positiven Menschenbildes des Vaters („Sei doch nur einmal Mensch“). Berühmte Persönlichkeiten suchen das Kurhaus auf. Blumhardt unternimmt weite Reisen – unter anderem in das Saarland, die Schweiz, nach Straßburg und Berlin. Dort tritt er erstmals in Kontakt mit Adolf Stoecker, dem Oberhofprediger: Die Menschen erfahren bei Blumhardt „geistliche Nahrung“. 1888 wird er an das Sterbebett von Kaiser Wilhelm I. gerufen. 1894 verzichtet Blumhardt auf die Rechte eines Pfarrers.

Hinwendung zur Sozialdemokratie

Angeregt durch entsprechende Vorlesungen im Studium und aktuell bewegt durch politische Umbrüche (Sozialistengesetze, Zuchthausvorlage, Industrialisierung des Filstals) schließt sich Blumhardt nach Protestversammlungen der SPD in Göppingen 1899 der Sozialdemokratie an und kandidiert 1900 für den königlichen Landtag:

„Mein Auftreten in Arbeiterkreisen und speziell die Handreichung, die ich der Sozialdemokratie tue, hat viele…geängstet…Was in mir lebt von Christus, was ich zeitlebens von einem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit auf Erden glaube und erstrebe, drückt sich auch in … meiner Verbindung mit der großen, um ihr Leben ringenden Arbeiterklasse aus….In dem Streben aber, welches die Sozialdemokratie vertritt und welches überall Tausende von Herzen entzündet, sehe ich ein Christuszeichen, denn auch Christus will eine Menschheit, in welcher Gerechtigkeit und Wahrheit, Liebe und Leben alles durchdringt...“
Blumhardt muss nach Erlass des königlichen Konsistoriums (der damaligen Kirchenleitung) auf Rechte und Titel eines Pfarrers verzichten. Er setzt sich bei der Wahl gegen zwei Fabrikanten (Fetzer und Guttmann) und einen Gerichtsrat (Gröber) durch. Es gibt ein gemeinsames Wahlplakat, das Blumhardt als „bibel- und auch bebelfest“ charakterisiert.

Landtagsabgeordneter in Stuttgart
Seine Arbeit im königlichen Landtag (bis 1906) gestaltet sich angesichts der geringen Zahl der SPD-Abgeordneten (nur 5) kompliziert aber inhaltsreich: Er ergreiftzu Fragen der zunehmenden Militarisierung, der Landwirtschaft und der konfessionellen Schulbildung das Wort. Seinem jungen Freund Wilhelm Keil (1947-1952 Präsident des Landtags von Württemberg-Baden) wird er zum politischen Ziehvater und rhetorischen Lehrer. Blumhardt wird Vorläufer und Vordenker der „Religiösen Sozialisten“ (um Leonhard Ragaz, Rudolf Thurneysen, Hermann Kutter, Karl Barth – die auch zeitweilig Gäste in Bad Boll sind) und beeinflusst bis heute führende politische Persönlichkeiten. Das positive Menschenbild der beiden Blumhardts, ihr Einsatz für eine ganzheitliche Seelsorge und das gesellschaftspolitische Engagement des jüngeren Blumhardt wirken bis heute nach.

Rückzug
1907 zieht Blumhardt mit Anna von Sprewitz nach Jebenhausen. Anna von Sprewitz führt ihm den Haushalt und ist seine „geistliche Begleiterin”. 1913 stiften beide das Haus als Kinderheim, welches noch heute von einer durch die Stadt Göppingen geführten Stiftung als Kindergarten betrieben wird. Zu Andachten und Predigten kommt Blumhardt immer wieder zurück nach Bad Boll. Den beginnenden Weltkrieg geißelt er als Sünde. 1917 erkrankt er schwer und stirbt schließlich am 02. August 1919. Seine Bestattung wird zu einem öffentlichen Ereignis. Blumhardt verbietet sich eine kirchliche Bestattung. Es werden „nur” Reden gehalten – unter anderem von Wilhelm Keil (SPD), der Blumhardt als Christophorus versteht: „Er hat Christus zu uns gebracht.“ 1920 wird das Kurhaus der Herrnhuter Brüdergemeine geschenkt: „Bad Boll soll ein Haus sein, wo der Heiland regiert…es soll eine Stätte sein, von der Segen ausströmt…“ (aus der Schenkungsurkunde). 1945 wird dort schließlich die erste Tagung der Evangelischen Akademie durchgeführt.

Gegenwart und Blumhardt
Die Kirchenleitung nimmt 1976 durch den damaligen Landesbischof Helmut Claß eine inoffizielle Rehabilitierung von Blumhardt vor. 1999 wird beim Stuttgarter Kirchentag ein „Blumhardt-Pilgerweg” durchgeführt und ein Oratorium (komponiert von KMD Gerhard Steiff, Tübingen) aufgeführt. Immer wieder gedenkt die SPD von Baden-Württemberg bei entsprechenden Anlässen auf dem Historischen Friedhof des Lebenswerks von Blumhardt.

Quellen:

  • Albrecht Esche, Reich Gottes in Bad Boll…, Bad Boll 2016
  • Christian Buchholz (Hg.), Christoph Friedrich Blumhardt – Reich Gottes in der Welt, Göppingen-Dessau 2014

(1849-1929)

Emilie stammt vom Hofgut Einsiedel bei Tübingen. 1870 heiratet sie den jungen Pfarrer Christoph Friedrich Blumhardt, der zu dieser Zeit als Mitarbeiter und „Gehilfe“ bei seinem Vater im Kurhaus tätig ist. Emilies Vater ist Pächter des Hofgutes. Sie ist 1868 zeitweise als Haustochter im Kurhaus beschäftigt. Christoph bemerkt sie wenig, aber umso mehr die Mutter, die eine Heirat betreibt. „Du gibst einen geschlossenen Familienkreis her“ schreibt Christoph vor der Eheschließung an Emilie: Das Leben der Großfamilie Blumhardt umfasst das ganze Kurhaus mit seinen vielen Gästen!

Leitung der Hauswirtschaft
Emilie selbst übernimmt die hauswirtschaftliche Leitung des Kurhauses – nach dem der Schwiegervater Johann Christoph Blumhardt 1880 verstorben war und die Schwiegermutter Doris (verstorben 1886) nicht mehr aktiv am Leben des Kurhauses teilnehmen konnte. Dem Ehepaar Emilie und Christoph Blumhardt werden 11 Kinder geboren:

  • Dorothea (1872-1947)
  • Hermann (1873-1909)
  • Clara (1874-1975)
  • Katharina (1875-1960)
  • Elisabeth (1877-1962)
  • Salome (1879-1958)
  • Friedrich (1881-1941)
  • Hanna (1883-1971)
  • Georg (1885-1918)
  • Gottliebin (1889-1976)
  • Immanuel (1892-1916)

Georg und Immanuel sind nach Neuseeland ausgewandert und dort auch verstorben.

Die Mutter Emilie ist wegen ihres großen Kinderkreises und der vielen Arbeit im Kurhaus zunehmend gesundheitlich geschwächt – einmal sogar lebensbedrohlich. In der Großfamilie gibt es auch Konflikte: Nathanael (1847-1920), Bruder von Christoph Friedrich und verheiratet mit Christiane Amalie, geborene Bräuninger (der Schwester von Emilie), war seit 1871 für die Landwirtschaft des Kurhauses selbst verantwortlich und überwirft sich aus verschiedenen Gründen (auch wegen seines Alkoholgenusses) mit seinem Bruder. Dieser nötigt ihn, 1895 nach Neuseeland auszuwandern. Dort ist seit jener Zeit eine vielköpfige Nachkommenschaft wohnhaft, zu der es aktuell einige wenige Kontakte gibt.

Beziehungen
Emilie reist Anfang des 20. Jahrhunderts (ab 1907) dann verschiedene Male nach Asien – nach Tsingtau und nach Neuseeland, um dort die Familien ihrer Tochter Salome und ihrer Schwester Christiane sowie ihrer Söhne Friedrich und Immanuel zu besuchen. Die Reisen sind sehr aufwändig – zeitlich, verkehrstechnisch und finanziell. Sie reisen per Bahn und per Schiff – zum Teil über Sibirien!

In den langen Abwesenheitszeiten (etwa 5 Jahre!) muss die Leitung des Kurhauses weiter gewährleistet sein. Das übernimmt ab 1896 schon zum Teil, später ganz die Diakonisse Anna von Sprewitz, sodass Emilie schließlich diese neue Rolle geduldig und demütig annimmt. Christoph Blumhardt wohnt ab 1913 nicht mehr regelmäßig im Kurhaus, sondern im nahe gelegenen Jebenhausen, wo er zusammen mit Anna von Sprewitz das Haus Wieseneck erworben hatte. Dazu sagt sie (Emilie) in einem Brief: „Ich fühlte mich niemals von meinem Manne getrennt, auch nicht, als Länder und Meere zwischen uns lagen.“

Als die betriebswirtschaftliche Struktur des Kurhauses 1913 neu geregelt und das gesamte Anwesen in eine GmbH umgewandelt wird, hält Christoph Blumhardt fest, dass Emilie „standesgemäß“ versorgt bleibt – mit 2.000 Reichsmark jährlich (ein Arbeiter verdiente zu jener Zeit im Jahr etwa 1.000 RM) und freier Wohnung. Samuel Preiswerk, ein Pfarrer aus Zürich, übernimmt ab diesem Zeitpunkt zusammen mit Emilie die Leitung des Hauses. Nach dem Tod von Christoph Blumhardt 1919 betreibt Anna von Sprewitz den Verkauf des Anwesens: So wird das Kurhaus 1920 an die Herrnhuter Brüdergemeine verschenkt. 1929 verstirbt Emilie und wird auf dem Friedhof in Bad Boll bestattet.

Quellen:

  • Albrecht Esche, Reich Gottes in Bad Boll…, Bad Boll 2016
  • Christian Buchholz (Hg.), Christoph Friedrich Blumhardt – Reich Gottes in der Welt, Göppingen-Dessau, 2014
  • Jörg Hübner, Christoph Blumhardt – Prediger, Politiker, Pazifist – Eine Biografie, Leipzig 2019

(1830-1890)

Johannes Heinrich Richter (geboren 1830 in Meißen, gestorben 1890 in Boll) ist der Sohn des bekannten Kunstmalers Ludwig Richter (1803-1884). Er ist ausgebildeter Musiker, Verleger und Buchhändler und lebt die meiste Zeit seines Lebens in Dresden. Nach kurzer Ehe stirbt 1861 seine erste Ehefrau, auch die Ehe mit deren Schwester bleibt kinderlos. Seit 1872 hält Heinrich Richter sich wegen einer chronischen psychischen Erkrankung häufig in Bad Boll auf, wo der heilsame Geist des Blumhardt’schen Wirkens ihm guttut. Seit 1888 lebt er dauerhaft in Eckwälden in dem von Christoph Blumhardt gegründeten „Haus für Nerven- und Gemütsleidende“. 1890 stirbt er und wird auf dem Friedhof in Bad Boll von Christoph Blumhardt beerdigt.

Quelle:

  • Albrecht Esche, Reich Gottes in Bad Boll, 4. erw. Auflage Boll 2016

(1873-1930)

Richard Wilhelm (geboren 1873 in Stuttgart, gestorben 1930 in Tübingen), der Schwiegersohn Christoph Blumhardts, geht als Missionar nach China und entwickelt sich dort zu einem bedeutenden Sinologen, der bis heute in der Fachwelt hohes Ansehen genießt.

Richard Wilhelm ist der Sohn eines aus Thüringen stammenden Glasmalers, der früh verstirbt. Er wächst in Stuttgart auf und studiert Evangelische Theologie in Tübingen. 1895 wird er ordiniert und absolviert sein Vikariat in Wimsheim und Bezgenriet, bevor er 1897 nach Bad Boll kommt, um den erkrankten Ortspfarrer Theophil Blumhardt, einen Bruder Christoph Blumhardts, zu vertreten. Der daraus entstehende Kontakt zu Christoph Blumhardt soll für ihn in verschiedener Hinsicht prägend werden. Zum einen wird Christoph Blumhardt für Richard Wilhelm zu einem wichtigen Freund und Gesprächspartner, zum anderen lernt er Blumhardts Tochter Salome kennen und lieben.

Anfang 1899 tritt Richard Wilhelm im Auftrag des „Allgemeinen evangelisch-protestantischen Missionsvereins“ (AepMV) eine Stelle als Missionar im deutschen Schutzgebiet Kiautschau (Tsingtao, heute Qingdao) in China an. Christoph Blumhardt heißt seine Bewerbung gut. Vor der Ausreise verlobt er sich noch mit Salome Blumhardt, die ein Jahr später nachkommt und ihn heiratet. Dem Ehepaar werden in Qingdao vier Kinder geboren.

Richard Wilhelm versteht – stark geprägt von seinem Mentor vor Ort, Pfarrer Dr. Klaus Faber, und ganz im Sinne der Theologie Blumhardts – seine Tätigkeit vor allem als die Herausforderung, sich mit der chinesischen Kultur intensiv vertraut zu machen. Er erlernt die chinesische Sprache und befasst sich intensiv mit den Schriften chinesischer Philosophen wie Konfuzius. Insbesondere enthält er sich jeglichen großspurigen Kolonialistengehabes, sondern setzt sich im Gegenteil im Rahmen des Boxeraufstands für die chinesische Bevölkerung ein. Während seiner Jahre in China taucht Richard Wilhelm immer tiefer in die chinesische Kultur ein, indem er zentrale Werke des Konfuzianismus und Taoismus ins Deutsche überträgt, darin unterstützt von seinem chinesischen Gewährsmann Lao Nai Xuan und von einem eigens von Wilhelm gegründeten Salon, in dem er sich mit chinesischen Gelehrten und Beamten austauscht. Seine Arbeit für den Missionsverein, der ihn nach China entsandt hat, ist dennoch zu Beginn intensiv: mehrere Schulen und ein Hospital werden unter seiner Ägide gegründet. Allerdings weigert sich Wilhelm, Menschen zum christlichen Glauben zu bekehren und zu taufen, auch entwickelte er folgerichtig kein christliches Gemeindeleben, was ihm einige Diskussionen mit dem Missionsverein beschert. Sein Verständnis von Mission erlaubt es ihm nicht, Menschen zu Christen zu machen.

Stattdessen entwickelt Richard Wilhelm in verschiedenen Aufsätzen eine Theologie, die versucht, das Christentum mit den geistigen Strömungen des Ostens zu verbinden und die Wahrheit in allen Religionen zu entdecken. Christus wird in Wilhelms Gedanken „der große überpersönliche Herr, der Geist, der in der Menschheit lebt […] Dieser Menschheitsgeist, dieser Christus, lebt in allen und durchdringt alle.“ Aber auch sein Gottesverständnis wird ausgesprochen universal: „Der Gott, der aus dem leeren Himmel über uns verschwunden ist, will Auferstehung feiern in unserem Blut. Im Menschen ist die göttliche Kraft, die neue Welten schaffen kann.“ In solchem Denken zeigt sich der Versuch, die östlichen Weisheitslehren mit dem christlichen Glauben zu verbinden.

Insgesamt versteht sich Richard Wilhelm im Laufe seiner Wirksamkeit immer weniger als Missionar und immer mehr als Sinologe, der es sich zur Aufgabe macht, die großen Schriften chinesischer Weisheitslehrer durch Übertragung in die deutsche Sprache im Westen bekannt zu machen.

Als Qingdao 1914 von Japan erobert wird, bleibt Richard Wilhelm trotzdem noch einige Jahre vor Ort und vermittelte zwischen den chinesischen Einwohnern und der japanischen Verwaltung. Sein Einsatz für den Missionsverein in Qingdao endet 1920. In den Monaten nach seiner Rückkehr hält er für den Verein Vorträge über seine Zeit in Qingdao und ist ein begehrter Redner in der wissenschaftlichen Sinologie. Schnell geht es für ihn aber wieder zurück nach China, wo er zunächst an der deutschen Gesandtschaft, später dann als Professor an der Beida Universität in Peking wirkt. 1927 kommt Richard Wilhelm zurück nach Deutschland und erhält eine Professur für Sinologie an der Universität in Frankfurt am Main. Im Frühjahr 1930 stirbt Richard Wilhelm an einer Infektionskrankheit, die er sich in China zuzieht.

Richard Wilhelm ist eines der glänzendsten Beispiele dafür, dass aus dem offenen Geist, der von Christoph Blumhardt in Bad Boll gelebt wurde, ein Zeugnis für den Glauben entstand, das bis heute von Menschen unterschiedlicher geistiger und kultureller Prägung wertgeschätzt wird. Als Sinologe hat sich Richard Wilhelm in der Fachwelt einen großen Namen gemacht, der sich zum Beispiel darin niederschlägt, dass im Jahr 1993 an der Ruhr-Universität Bochum das „Richard-Wilhelm-Übersetzungszentrum“ gegründet wurde. Immer wieder kommen auch Delegationen aus der Volksrepublik China auf den Friedhof in Bad Boll, um Richard Wilhelms Grabmal zu besuchen. Dieses marmorne Grabmal nimmt in seiner Gestaltung – eine große Kugel, ruhend auf einem Quadrat und umrahmt von einer kreisförmigen Bodenplatte aus acht Segmenten, auf welchen jeweils eines der Grundtrigramme des I Ging abgebildet ist – die Vermittlung der chinesischen Weisheitslehren durch Richard Wilhelm an die westliche Welt in beeindruckender Weise auf.

Quellen:

  • Klaus Hirsch, Richard Wilhelm 1873-1930 – Vom Missionar zum Sinologen, Schw. Gmünd 2020
  • Albrecht Esche, Reich Gottes in Bad Boll, 4. erw. Auflage Boll 2016

(1893-1916)

Es ist das einzige Grab eines Menschen aus China auf dem Blumhardt-Friedhof. Salome Wilhelm, geborene Blumhardt bringt das dreizehnjährige Mädchen aus Tsingtau/ Qingdao 1911 – als sie zu einem Kuraufenthalt nach Bad Boll kommt – mit. Sie soll im Mädchen-Internat in Eckwälden eine Ausbildung als Lehrerin erhalten. Die Familie Wilhelm ist zu dieser Zeit in China ansässig, weil Richard Wilhelm zunächst als Missionar, dann als Lehrer und Sinologe dort tätig ist. Salome Wilhelm verbringt 9 Monate in Bad Boll. Als sie wieder nach China zurückfährt, muss das Mädchen Tschun-Hiang in Bad Boll bleiben. Hier wird sie – wohl zu ihrem Missfallen – Allmuth genannt. Aus tiefem Heimweh nach ihrer Familie in China und aus Enttäuschung, auch weil sie das weltweite Töten im 1. Weltkrieg nicht erträgt, nimmt sich Tschun-Hiang (Ding ist der Familienname) im Herbst 1916 das Leben. Der Vorname heißt übersetzt „Frühlingsduft“!

Nach der üblichen Tradition von damals und aufgrund der geltenden Friedhofsordnung hätte die junge Frau als „Selbstmörderin“ nicht auf dem Gottesacker begraben werden dürfen. Das hätte aber der Menschenfreundlichkeit und der weiten Theologie der Blumhardt-Familie widersprochen. So erfährt Tschun-Hiang eine „ordentliche” Bestattung – wenn auch am Rande des Friedhofs. Christoph Blumhardt äußert sich in einem Brief an seine Tochter Gottliebin über Tschun-Hians Tod: Dass du Dir Vorwürfe machen wollest wegen des Sterbens der Tsun Hiang, ist umsonst. Solches ist ja in der Führung Gottes gelegen und unserer Gedanken sind nicht seine Gedanken.“ Vorwürfe seien „ein Sieg gegen Gott… Das Factum ist zu traurig, aber es lag im ganzen Wesen der Tsun Hiang und musste also herauskommen. Also sei fest und getrost…“

Im Jahr 2014 filmt ein Fernseh-Team des staatlichen Fernsehens der Volksrepublik China auch dieses Grabmal und informiert sich (neben dem Lebenswerk von Richard Wilhelm) über das Schicksal von Tschun-Hiang.

Leider gibt es sonst keine Berichte über das kurze Leben von Tschun-Hiang Ding.

Quelle:

  • Albrecht Esche, Reich Gottes in Bad Boll…, Bad Boll 2016